Nach einer aktuellen repräsentativen Forsa-Umfrage haben 59 Prozent der Bundesbürger noch nie vom digitalen Euro gehört. Dabei soll dieser gesetzliches Zahlungsmittel werden – realistischerweise ab 2028, wie es von der Bundesbank heißt. Das bedeutet, dass von wenigen Ausnahmen abgesehen Einzelhandel und Restaurants digitale Euros dann werden akzeptieren müssen. Für die Banken stellen sich viele Fragen.
Es sind so viele Fragen für die Banken, dass die Unternehmensberatung EY dafür eine europaweite Arbeitsgruppe gebildet hat. „Auf jede Geschäftsbank und Sparkasse, die nennenswert Privatkundengeschäft betreibt, kommt ein substanzielles Investment zu. Die Institute müssen sich fragen, wie sie die Kosten refinanziert bekommen, etwa durch neue Dienstleistungen, die Erlöse bringen“, sagen Gunther Tillmann und Jan Rosam.
Im Gespräch mit der F.A.Z. berichten die beiden EY-Berater, dass laut einer aktuellen Umfrage unter deutschen Banken 40 Prozent noch nicht abschließend beurteilt haben, wie sie der digitale Euro strategisch berührt. Das ist insofern verständlich, als es noch an einem europäischen Gesetz fehlt, zu dem es wohl nicht vor der zweiten Hälfte des Jahres 2025 kommen wird.
Tillmann und Rosam empfehlen, nicht untypisch für Unternehmensberater, den Geschäftsbanken dennoch, sich schon jetzt damit zu beschäftigen. „Der digitale Euro wird kommen. Es wird einen Umsetzungszwang geben. Die EZB wird 1,2 Milliarden Euro investieren, aber auch jede Bank wird mindestens einen zweistelligen Millionenbetrag investieren müssen – je höher ihr Privatkundenanteil, desto mehr. Gleichzeitig werden die Gebühren und damit Verdienstmöglichkeiten begrenzt. In diesem nicht einfachen Umfeld sollte sich jede Bank jetzt positionieren.“
Kampfansage an Visa, Mastercard und Paypal
Was die EY-Berater meinen: Der digitale Euro ist auch als Kampfansage an die amerikanischen Zahlungsverkehrsdienstleister gedacht, also an Kreditkartenunternehmen wie Mastercard und Visa und Geldversender zwischen Privatpersonen wie Paypal. Den Bürgern soll der digitale Euro kostenfrei zur Verfügung gestellt werden, für die Händler muss er – anders als heute die Kreditkarten – zu den Zahlungswegen im günstigsten Drittel gehören. Diese Vorgaben schränken die Verdienstmöglichkeiten für Banken und Sparkassen ein.
Auf der anderen Seite wird die EZB einen großen Teil der notwendigen Infrastruktur bauen. Das mag eine Entlastung sein, aber die Geschäftsbanken und Sparkassen verfolgen das kritisch. Sie fürchten, dass die Zentralbank am Ende eine eigene digitale Geldbörse für jeden Bürger, eine sogenannte Wallet, vorhalten wird. „Die Banken und Sparkassen werden gebraucht werden, um Geld vom Girokonto in digitale Euro zu konvertieren. Offen aber ist: Was bedeutet die EZB-eigene App für die Banken und Sparkassen? Hier geht es um die wichtige Kundenschnittstelle, die Banken und Sparkassen nicht preisgeben sollten“, sagen die EY-Berater. „Banken und Sparkassen müssen sich jetzt Gedanken machen, damit sie erster Ansprechpartner und damit Hausbank ihrer Privatkunden bleiben.“
Einlagenabfluss zur EZB
Banken und Sparkassen müssen damit rechnen, dass ein Teil ihrer Einlagen zur Zentralbank hin abfließt. Angesichts einer diskutierten Haltegrenze von 3000 Euro je Bürger befürchtet Sparkassenpräsident Ulrich Reuter, dass der deutschen Kreditwirtschaft ein dreistelliger Milliardenbetrag verloren geht. Die Ratingagentur Standard & Poor’s kalkuliert mit 25 Milliarden Euro. „Jede Bank und Sparkasse muss verstehen, was es bedeuten würde, wenn jeder Kunde 3000 Euro in digitale Euro konvertiert“, sagen die EY-Berater. In einem zweiten Schritt sollten die Institute prüfen, wie sie den Einlagenabfluss kompensieren könnten. Und in einem dritten Schritt sollten sich Banken und Sparkassen überlegen, wie sie mehr Dienstleistungen rund um den digitalen Euro ihren Kunden anbieten und damit zusätzliche Erlöse erzielen können.
Die EY-Berater können sich vorstellen, dass sich mit dem digitalen Euro Zahlungen verschieben werden – weg von den Kreditkartenanbietern hin zu direkten Transaktionen zwischen Privatpersonen („peer to peer“). „Jede Bank und Sparkasse muss sich Gedanken machen, wie sich die Einführung des digitalen Euro auf ihr Geschäftsmodell auswirkt“, sagen die EY-Berater. Für das Privatkundengeschäft hat die Bundesbank schon Anwendungsfälle wie die Auszahlung des Kindergeldes genannt, für das Firmenkundengeschäft fehlen diese noch weitgehend.
Auch für die EZB sehen die Berater von EY noch Herausforderungen. Als am Jahresanfang 2002 der Euro eingeführt wurde, lagen zuvor zu Weihnachten zahlreiche Starter-Kits unter dem Tannenbaum, also ein Beutel mit jeweils einer der neuen Euromünzen, damit sich die Menschen damit vertraut machen konnten. „Die Oma muss in der Lage sein, den digitalen Euro nutzen zu können, und auch der Sohn muss die technische Lösung akzeptieren. Wie sie Akzeptanz in allen Altersgruppen schafft, muss sich die EZB gut überlegen und entsprechend geeignete Einführungsformate für den digitalen Euro wählen“, sagen die EY-Berater.
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